Epochen leicht gemacht: 4. Die Ottonik (919-1024)

Willkommen zu einem neuen Teil der Reihe „Epochen leicht gemacht“! In diesem Beitrag wird es um die Ottonik gehen. Auch wenn die Ottonik zur Frühromanik gezählt werden kann, möchte ich sie gerne als eigene Epoche vorstellen, da die Kunst der Ottonik in ihren Merkmalen doch von denen der Romanik abweicht. Die Ottonik wendet sich von den spätantiken Formen der karolingischen Renaissance ab und bereitet den Weg für die Romanik.

Kurzer Überblick: Im Jahre 919 ging die Königs- und Kaiserwürde über an das ostfränkisch-deutsche Geschlecht der Liudolfinger, die später auch Ottonen genannt werden. Zunächst herrschte Heinrich I. als König; 962 wurde Otto I., auch genannt Otto der Große, Kaiser. Hier beginnt das eigentliche Zeitalter der Ottonen. Darauf folgten Otto II., III. und schließlich Heinrich II., welcher mit seinem Tod 1024 das Ende des Zeitalters der Ottonen markiert.


Buchmalerei

Im Folgenden werde ich euch wieder die Hauptmerkmale auflisten und erklären. Ihr werdet aber auch sehen, dass die Merkmale nicht bei jeder Miniatur1 zutreffen, daher habe ich drei Beispiele gewählt. Durch Raufklicken könnt ihr die Bilder vergrößern.

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Unbekannter Maler: Gebetbuch von Otto III., etwa 1000 (Quelle: Wikimedia Commons| Public Domain)
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Meister der Reichenauer Schule: Perikopenbuch Heinrichs II., Verkündigung an die Hirten, 1007-1012 (Quelle: Wikimedia Commons| Public Domain)
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Meister des Perikopenbuches Heinrichs II.: Perikopenbuch Heinrichs II., Der Hl. Petrus empfängt die Schlüssel, frühes 11. Jh. (Quelle: Wikimedia Commons| Public Domain)

Zeichenhafte Bildauffassung

Wie ihr seht, ist die Bildauffassung im Gegensatz z.B. zur Spätantiken Buchmalerei in der Ottonik eher Zeichenhaft, also nicht naturalistisch. Das zeigt sich sowohl an der Tiefenwirkung wie auch an der Gewandgestaltung oder an anderen Punkten, die ich euch unten aufzählen werde.

Farbstreifen im Hintergrund

Der Hintergrund ist in breite und meist scharf voneinander abgegrenzte Farbsteifen geteilt. In anderen Epochen und Buchmalereischulen, wie z.B. in der Touroner Schule (Karolingische Buchmalerei) sind die Farbübergänge aufgelöster.

Kaum Tiefe aber Ordnung durch Streifen

Im Bildraum entsteht kaum Tiefe. Die Personen scheinen alle in einer Ebene angeordnet zu sein, die einzige Tiefenwirkung entsteht durch die teilweise Staffelung der Personen (Überschneidungen). Die breiten Streifen im Hintergrund zeigen zu dem eine gewisse Hierarchisierung innerhalb des Bildes.

Figurenschablonen und geringe Körperlichkeit

Die Figuren sind sehr flächig und wirken durch die Konturlinien wie aufgeklebte „Schablonen“. Körperlichkeit wird durch die Falten nur angedeutet.

Starker Zeigegestus

Der auffällige Zeigegestus ist ebenfalls ein Merkmal für ottonische Buchmalerei, die Figuren gestikulieren mit ihren Armen und Händen, strecken die Finger empor… Dennoch wirken die Figuren starr und unbeweglich.

Starke Mimik

Bedeutet gelinde ausgedrückt: Glubschaugen! Das Merkmal an dem man, meiner Meinung nach, am zuverlässigsten die ottonische Buchmalerei erkennt. Hört sich blöd an, so unter Kunsthistorikern, ist aber (meist) narrensicher. „Glubschaugen“ dürft ihr natürlich nicht so sagen und schon gar nicht schreiben. Das formuliert ihr lieber um in starker Gesichtsausdruck, stark betonte Augen etc.


Plastik

Und weiter geht’s mit der nächsten Gattung, der Plastik. Die Plastik hat ähnliche Merkmale wie die Buchmalerei, aber bevor ich loslege, hier zwei Beispiele:

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Golden Madonna of Essen: Verändert nach Martin Engelbrecht GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), von der Domschatzkammer Essen zur Verfügung gestellt, via Wikimedia Commons; Durch Klick zum Original
(Quelle: Wikimedia Commons| Urheberrechte: Bischöfliche Pressestelle Hildesheim (bph))
Doms zu Hildesheim: Westportal, Bernwardstür, um 1015 (Quelle: Wikimedia Commons| Urheberrechte: Bischöfliche Pressestelle Hildesheim (bph); Durch Klick zum Original)

Ich schätze ihr versteht, warum ich die Augen oben als Detail noch einmal vergrößert habe. Auf die Glubschaugen, äh ich meine die stark betonten Augen sollte man nämlich ein Auge werfen!… Genug von Augen, zurück zur Plastik: Einige der Merkmale der Buchmalerei lassen sich auch auf die Plastik übertragen: Geringe Körperlichkeit unter dem Gewand, starker Zeigegestus und expressive Mimik. Ein weiterer Punkt wäre:

Ansätze einer Monumentalplastik

Die Skulpturen in der Ottonik gewannen zunehmend an Größe. Die jeweiligen Flügel der oben gezeigten Bernwardstür sind aus einem Guss und haben zusammen die atemberaubende Größe von 4,70x 2,40m. Das Gerokreuz (von dem ich leider kein Bild einfügen kann) ist 2,88m groß, wobei die Christusfigur an sich mit knapp 2m etwas über-lebensgroß dargestellt ist. Die Tendenz geht also weg von Kleinplastiken, hin zu großen und monumentalen Werken.


Architektur

Bei ottonischer Architektur (oder romanischer- allgemein) sollte dem Kunsthistoriker sofort St. Michael in Hildesheim einfallen! Ich zeige euch hier erst einmal zwei Bilder, in dem nächten Beitrag zu der Reihe “Epochen leicht gemacht” werde ich näher auf die Architektur eingehen, da sich die Merkmale sonst doppeln würden. So seht ihr aber trotzdem, dass St. Michael von den Baudaten (geweiht: 996) eigentlich der Ottonik zuzuordnen ist.

St. Michaelis, Hildesheim, 2004 (Quelle: Wikimedia Commons| Freundlicherweise von Zairon als Public Domain veröffentlicht)
St. Michaelis, Hildesheim, 2004 (Quelle: Wikimedia Commons| Freundlicherweise von Zairon als Public Domain veröffentlicht)
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St. Hildesheim: Blick durch das Mittelschiff zu Ostchor (Quelle: Wikimedia| Public Domain)

Das wars auch schon mit der Ottonischen Kunst! Die nächste Epoche wird die Romanik sein. Dort wird es vorallem zu Architektur und Plastik einiges vorzustellen geben, ein weiterer wichtiger Stichpunkt wird die Bauplastik sein. Bis zum nächsten Mal!

Anmerkungen:
1. Minuatur: Unter Miniatur versteht man die bildlichen Darstellungen der Buchmalerei. 
Lust, noch mehr darüber zu lesen? Hier geht's zu einem Beitrag über Kunst im Buch sowie den 
Aufbau eines Kodex.

Bedanken möchte ich mich herzlich bei Frau Dr. Liane Wilhelmus, die im Propädeutikum “Form und Stil” an der Universität Heidelberg die Epochen besonders anschaulich dargestellt hat. Die Ausführungen orientieren sich an meinen Aufschrieben und weiterführenden Recherchen dieser Einfühung.

6 Gedanken zu „Epochen leicht gemacht: 4. Die Ottonik (919-1024)“

    • Liebe Lilo, danke für dein Feedback! Ich fange langsam an für meinen Bachelor zu lernen und da gehe ich alle meine Zusammenfassungen noch einmal durch. Ich habe eine Weile nichts am Blog gemacht (wie du ja sicherlich gesehen hast)… Aber ich habe es auf jeden Fall im Hinterkopf! Kommentare wie deine zeigen mir auch, dass auf jeden Fall Bedarf ist, also werde ich weiter machen! Danke noch mal und liebe Grüße 🙂

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  1. Schreibe nächste Woche in Kunstgeschichte eine Klausur über die verschiedenen Epochen und bin durchs googeln auf deinen Blog gestoßen. Suuuuuper Beiträge! Hoffe da kommen noch mehr, weiter so 🙂

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    • Liebe Elisa,
      Danke für deinen Kommentar, es freut mich unglaublich, dass du den Weg hierher gefunden hast und dir die Beiträge gefallen!
      Ich habe selbst zur Bachelorvorbereitung in diesem Semester eine Einführungsveranstaltung besucht und werde mich bemühen, die Epochen parallel zum Lernen auch hier hochzuladen. Das wird dir leider bis nächste Woche nichts nützen, aber vielleicht möchtest du danach trotzdem noch vorbei schauen. Ich wünsche dir ganz viel Erfolg für deine Klausur!

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