Ein Beitrag, der ans Eingemachte geht. Offen und ehrlich. Was möchte ich als Kunsthistorikerin online bewirken? Welche Gedanken stehen hinter dem Projekt NetzTraktat und wohin hat es sich entwickelt? Und was hat es mit “Von Vitruv bis zum Videospiel” auf sich?
Lebendig, divers, aktuell: Die Kunstgeschichte muss raus aus dem Elfenbeinturm
Immer wieder stoße ich auf das Vorurteil, die Kunstgeschichte säße in einem Elfenbeinturm. Die Studieninhalte seien weit entfernt von jedweder Praxis, man konzentriere sich zu sehr auf den normativen Künstler, der selbstverständlich ein Künstler, ziemlich weiß und ein Genie ist, und sowieso sei die Kunstgeschichte viel zu selbstreferenziell und verschließe sich vor aktuellen Diskursen.
Auch wenn ich hier gerne ein lautes “NEIN” schreien möchte, sehe ich, woher diese Annahmen kommen. Seit ich nach meinem Abschluss in der Welt da draußen unterwegs bin, merke ich das noch viel mehr. Die Kunstgeschichte hat sich, wie es scheint, viel zu lange im Hintergrund aufgehalten. Während beispielsweise in den Naturwissenschaften rege Wissenschaftskommunikation betrieben wird, ist das in der Kunstgeschichte und anderen Geisteswissenschaften leider nicht unbedingt der Fall.
Ob es an einem an einem andauernden Trauma der Geisteswissenschaften liegt (z.B. werden wir denn überhaupt als Wissenschaft wahrgenommen? Und nehmen wir uns selbst so wahr?) oder an mangelndem Interesse an der Außenwahrnehmung ist zweitranging, das Ergebnis zählt. Und das ist ein weitreichendes Unverständnis unseres Fachs.
Genau das möchte ich mit meinen Beiträgen, meinen Posts und meine Videos ändern. Denn die Kunstgeschichte kann lebendig und divers sein. Sie kann aktuelle Themen behandeln, sich an brodelnden Diskursen beteiligen, einen Mehrwert schaffen.
Aber damit das so gesehen wird, müssen wir die Inhalte unserer täglichen Arbeit, unsere Forschung, unsere Erfahrungen und nicht zuletzt unsere Relevanz und unseren Beitrag zum wissenschaftlichen und kulturellen Diskurs teilen. Denn wenn wir nicht darüber sprechen, wie können wir es dann Außenstehenden übel nehmen, wenn sie nichts darüber wissen?
Die Kunstgeschichte braucht mehr Sichtbarkeit von innen heraus — auch wenn es uns aufstößt
Es gibt TV-Formate, in denen Moderatoren Museen erkunden, Comedians erklären Ikononografie und Influencerinnen sprechen über Künstler:innen und Kunstwerke. Aber wo bleiben wir Kunsthistoriker:innen bei all dem? Erstaunlicherweise findet die Vermittlung von Kunst und Kunstgeschichte oft gar nicht duch uns selbst statt, warum ist das so?
Hierfür mag es verschiedene Gründe geben, aber mein persönlicher Grund für eine gewisse Zurückhaltung ist folgender: Als Wissenschaftlerin empfinde ich eine spezielle Art von Content-Ängst, also der Angst mit meinen Inhalten sichtbar zu werden. Denn ich möchte gerne alles wasserdicht absichern, was an die Außenwelt gelangt. Ich möchte meine Themen ausführlich recherchieren, meine Thesen untermauern, bloß nicht zu einseitig berichten und schon gar nicht etwas in die Welt hinaustragen, das methodologisch oder gar inhaltlich nicht korrekt ist. Und wo zum Hades soll ich meine ganzen Fußnoten unterbringen?
Zwischen “Sichtbarkeit brauchen” und “Nicht sichtbar werden wollen”
Ihr seht, worauf das hinausläuft: Aus den beiden genannten Punkten entsteht ein Dilemma, das wir nicht aus dem Hinterzimmer heraus lösen können. Wenn wir Kunsthistoriker:innen möchten, dass unser Fach wahrgenommen wird, wie es tatsächlich ist oder wie es sich aktuell entwickelt, dann müssen wir selbst aktiv werden und unsere verschiedenen Sichten auf das Fach teilen. The more, the merrier.
Ich möchte den Blick auf unser Fach verändern, aufklären, was hinter der Vorstellung von alten Dia-Projektoren in verstaubten Hörsälen wirklich steckt. Über meinen Blog, über Videos, die sozialen Medien und hier und dort bei einem kleinen Vortrag. Raus aus dem leidigen Elfenbeintum und hin zu mehr Sichtbarkeit, von innen heraus.
Meine Erfahrungen für deinen Weg
Ich möchte also mit mir selbst beginnen und einen Schritt nach draußen wagen. Die karrierten Ärmel hochschlagen, die Brille auf die Nase schieben und loslegen.
Denn mit meinen Erfahrungen kann ich mögliche Wege der Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte aufzeigen. Ich kann (so wie alle anderen Kunsthistoriker:innen auch) meinen ganz eigenen Werdegang zeigen, meine Wahrheit des Fachs. Ich kann kommunizieren, wie es wirklich war, ist und vielleicht sein wird.
Es gibt so viele Möglichkeiten und in diesem weiten Rahmen müsst ihr selbst eure Interessen, Schwerpunkte und Nischen innerhalb oder außerhalb der Disziplin finden. Aber warum solltet ihr das alleine machen? Wir sind doch viele, also lasst uns einfach gemeinsam die Chancen des Fachs erkunden. Denn den einen Weg gibt es nicht (zumindest nicht in dieser Galaxie), und das ist das Wunderbare an unserem Fach.
Von Vitruv bis zum Videospiel: Es geht voran!
Wie aus den bisherigen Zeilen vermutlich ersichtlich wurde, ist bin ich mit NetzTraktat gerade an einem Punkt, sich weiter zu entwickeln. Mit dem Masterabschluss in der Tasche geht es weiter auf der Reise. Und hier möchte ich euch mitnehmen.
Aber irgendwie fehlte mir noch eine griffige Aussage. Das Gewölbe über der Vierung der Kathedrale des Projekts, wenn ihr so wollt. Nach vielen Überlegungen zur Ausrichtung (Kombination von klassischen und neuen Themen der Kunstgeschichte) hat es schließlich Klick gemacht: Von Vitruv bis zum Videospiel. Mit einer Schwäche für Alliterationen und der Verbindung von Tradition und meinem persönlichen Hobby und Forschungsgebiet war der neue Claim für NetzTraktat geboren.
Neu dazu gekommen ist übrigens auch mein TikTok-Kanal, auf dem ich regelmäßig Videos rund ums Thema Kunstgeschichte und meinen Alltag als Kunsthistorikerin und angehende Promovendin teile. Der Blog wird weiterhin für die größeren Themen und Beiträge genutzt werden.
Also bleibt dabei und meldet euch gerne bei mir, wenn ihr Fragen, Wünsche oder Vorschläge habt. Ich bin gespannt, wo die gemeinsame Reise hingeht!
Dieser Blogartikel ist aus dem Blogworkshop “Blog Your Purpose” von Judith Peters entstanden. Vielen Dank, liebe Judith, für die vielen tollen Anreize! 🙂